Aktuelles aus Presse und Internet

In diesem Bereich finden Sie auktuelle Berichte aus der Presse und dem Internet. Bitte beachten Sie, dass die Sächsische Krebsgesellschaft e. V. nicht für diese Inhalte verantwortlich ist und nur auf sie verweist.

Computer bewertet Brustkrebseigenschaften

Stanford – Bislang kategorisierten und bewerteten Pathologen die Eigenschaften von Brustkrebs und die Prognose der betroffenen Personen. Nun entwickelten Wissenschaftler um Andrew Beck von der Stanford School of Medicine einen Computer, der zumindest im ...

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Psychosoziale Versorgung von Krebspatienten

Versorgungsdichte und -bedarf

Susanne Singer - Sylvia Hohlfeld - Daniel Müller-Briel - Andreas Dietz - Elmar Brähler -

Katharina Schröter - Antje Lehmann-Laue

Psychotherapeut 56 (5/2011). Springer-Verlag GmbH. Heidelberg.

Krebserkrankte haben in allen Phasen ihrer Erkrankung und Therapie Anspruch auf eine umfassende und qualitätsgerechte psychosoziale Versorgung. Ein Drittel der betroffenen Patienten im Akutkrankenhaus wünscht sich Unterstützung von einem Psychoonkologen bzw. einem Sozialarbeiter. Daten zur  Psychoonkologischen Versorgungssituation von Krebspatienten im ambulanten und im stationären Bereich können dazu beitragen, Versorgungsdefizite aufzudecken und ihnen entsprechend zu begegnen.

 Hintergrund

Obwohl es inzwischen allgemein akzeptiert ist, dass Krebserkrankte Anspruch auf eine umfassende und qualitätsgerechte psychosoziale Versorgung in allen Phasen ihrer Erkrankung und Therapie haben, dokumentiert beispielsweise im Nationalen Krebsplan der Bundesrepublik Deutschland (Handlungsfeld 2, Ziel 9, www.bmg.bund.de), ist noch strittig, in welchem Umfang tatsächlich Bedarf an und Bedürfnisse nach einer solchen Versorgung bestehen. Es liegen zwar mittlerweile  verlässliche Daten zur Prävalenz psychischer Erkrankungen und allgemeiner psychischer Belastungen bei Krebspatienten im stationären Bereich vor (Atesci et al. 2004; Härter et al. 2000; Iqbal 2004; Keller et al. 2004; Lichtenthal et al. 2009; Nakasujja et al. 2007; Özalp et al. 2008; Singer et al. 2007; Wancata et al. 1998), und es kann als gesichert gelten, dass ein Drittel aller Betroffenen im Krankenhaus unter einer psychischen Belastung von Krankheitswert (Singer et al. 2010b) und etwa die Hälfte unter erhöhtem „distress“ leidet (Brant et al. 2011; Faller et al. 2003; Flatten et al. 2003; Mehnert et al. 2010), aber es besteht Dissens darüber, inwieweit psychische Komorbidität ein geeignetes Kriterium zur Indikation für eine psychoonkologische Betreuung im Krankenhaus darstellt. Alternativ wurde vorgeschlagen, zwischen Komorbidität mit unmittelbarer psychoonkologischer Handlungsrelevanz und psychischen Begleiterkrankungen ohne unmittelbare Handlungsrelevanz zu unterscheiden (Krauß et al. 2011). Ein anderer Vorschlag, erarbeitet in einer internationalen Konsensuskonferenz (Kiss 1995), beinhaltet, von Indikation für psychoonkologische Betreuung dann zu sprechen, wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:

  • erhöhte psychische Belastung
  • mangelnde soziale Unterstützung oder
  • Wunsch des Patienten nach einer solchen Unterstützung.

Bekannt ist hierzu, dass ein Drittel der Patienten im Akutkrankenhaus sich Unterstützung von einem Psychoonkologen bzw. einem Sozialarbeiter wünscht (Singer et al. 2009a). Fraglich ist jedoch noch, inwiefern es dabei Unterschiede  zwischen Patienten mit unterschiedlichen Tumorentitäten gibt. Dies zu wissen, ist wichtig für die Planung der entsprechenden Personalressourcen an einem Krankenhaus. Unbekannt ist weiterhin, wie viele Patienten und welche Patientengruppen entsprechende Angebote tatsächlich erhalten und in Anspruch nehmen. Allenfalls für die Versorgung in Brustzentren liegen derzeit Angaben vor (Giesler u. Weis 2009). Die von Giesler u. Weis (2009) befragten Zentren gaben an, dass durchschnittlich 62% der aufgenommenen Brustkrebspatientinnen psychoonkologisch betreut werden. Allerdings beruhen diese Zahlen auf Selbstangaben der Mitarbeiter der Brustzentren; es wurden keine Akten oder Kennzahlen hierfür ausgewertet. Und so sind die Autoren selbst auch skeptisch, inwieweit diese 62% der Brustkrebspatientinnen tatsächlich psychoonkologisch betreut wurden. In Zukunft werden über die Berichte der Deutschen Krebsgesellschaft, in denen die Kennzahlen der von ihnen zertifizierten Zentren ausgewertet werden, verlässlichere Angaben erwartet werden können. Für die nichtzertifizierten Krankenhäuser liegen jedoch bislang keine Daten zur Versorgungsdichte vor. Im ambulanten Sektor schließlich kann im Moment nicht nur hinsichtlich der Inanspruchnahme, sondern auch des Versorgungsbedarfs lediglich spekuliert werden. Experten gehen davon aus, dass die psychosoziale Versorgung Krebskranker hier vorwiegend von ambulanten Krebsberatungsstellen, zu einem geringeren Teil auch von niedergelassenen Psychotherapeuten, medizinischen Versorgungszentren oder Tageskliniken geleistet wird (Weis et al. 2000). Gemäß einer Befragung von niedergelassenen Psychotherapeuten werden etwa 5% aller Krebspatienten von ihnen behandelt (Schwarz et al. 2006). Wie viele der Erkrankten jedoch in Beratungsstellen versorgt werden, ist bislang nicht bekannt. Ziel dieser Studie war es, Daten zur psychoonkologischen Versorgungssituation von Krebspatienten im ambulanten und stationären Bereich unter Routinebedingungen zu gewinnen. Aus diesem Grund wurden die Inzidenzzahlen des Tumorregisters Leipzig, die Dokumentation des psychoonkologischen Konsil-/ Liaisondienstes für das Universitätsklinikum Leipzig und die Dokumentation der am Klinikum Leipzig angesiedelten ambulanten Krebsberatungsstelle miteinander verglichen, um folgende Fragen beantworten zu können:

 1. Wie viel Prozent der am Universitätsklinikum behandelten Krebspatienten erhielten ein psychoonkologisches Konsil (bezogen auf die Gesamtgruppe und auf verschiedene Tumorentitäten)

2. Wie viele Patienten erhielten eine ambulante psychosoziale Versorgung in der Krebsberatungsstelle (bezogen auf die Gesamtgruppe und auf verschiedene Tumorentitäten) im Vergleich zu in der Region als neu oder rezidiviert erkrankt registrierten?

Darüber hinaus wurden für Vergleichszwecke Daten einer Patientenbefragung am Klinikum aus den Jahren 2002 bis 2006 zur Beantwortung der folgenden Fragen (jeweils bezogen auf die Gesamtgruppe und verschiedene Tumorentitäten) reanalysiert:

 3. Wie viel Prozent der stationär aufgenommenen Patienten äußern den Wunsch nach psychologischer und nach sozialrechtlicher Hilfe im Krankenhaus?

4. Wie viel Prozent der stationär aufgenommenen Patienten sind psychisch belastet bzw. sozial hilfebedürftig?

5. Wie viel Prozent der Patienten sind ein halbes Jahr nach Diagnose psychisch belastet bzw. sozial hilfebedürftig?

 Patienten und Methode

Datengrundlage

 Auf drei Datenquellen wurde im Rahmen dieser Studie zugegriffen: Erstens auf das Tumorregister  Leipzig, zweitens auf die Dokumentation der psychoonkologischen Versorger (psychoonkologischer

Dienst am Klinikum und ambulante Krebsberatungsstelle), drittens auf eine Patientenbefragung am Klinikum. Durch Gegenüberstellung der Daten aus diesen drei Quellen sollten Antworten auf oben genannte Fragestellungen gefunden werden.

 Tumorregister Leipzig

Über das Tumorregister Leipzig, das vom Tumorzentrum am Universitätsklinikum Leipzig e. V. geführt wird, wurden Angaben zur Krebsinzidenz in der Region (Stadt Leipzig und Leipzig Land) ermittelt.

Im Tumorregister sind Daten zu Tumorentität, Patientenalter, -geschlecht und Ort der  Primarbehandlung (Universität vs. andere Kliniken) enthalten. Ausgewertet wurden die Zahlen aus dem Jahr 2008.

 Psychosoziale Beratungsstelle für Tumorpatienten und Angehörige

Durch die Dokumentation der Psychosozialen Beratungsstelle für Tumorpatienten und Angehörige, die an der Universität angesiedelt ist, wurde ermittelt, wie viele Patienten psychoonkologisch versorgt wurden. Ebenfalls für das Jahr 2008 wurde die Häufigkeit von ambulanten Kontakten einerseits und Konsilen bzw. Liaisonkontakten im Universitätsklinikum andererseits gezahlt. Beide Datenquellen (Zahl von Erkrankten vs. Zahl von Versorgten) sollten in Gegenüberstellung Aussagen zur Versorgungsdichte ermöglichen.

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Sachsen schaltet Hörfunkspot zur Krebsvorsorge

Früheres Erkennen von Brustkrebs kann Leben retten. Zudem können in vielen Fällen schonendere Behandlungsmethoden angewendet werden. Konkret bedeutet dies, dass nicht immer eine Chemotherapie oder eine Entfernung der weiblichen Brust vorgenommen werden muss! Es ist wichtig, die angebotenen, kostenlose Vorsorgeuntersuchungen zu nutzen. In einem Hörfunkspot ruft Sachsens Gesundheitsministerin zur Teilnahme am Mammografie-Screening auf. Zu hören ist der Beitrag ab 07. November 2011 auf Hitradio RTL. Eine gemeinsame Aktion des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz und der Sächsischen Krebsgesellschaft.

www.sms.sachsen.de

Hörfunkspot [Download *.mp3, 1,16 MB]

Brustrekonstruktion nach Tumortherapie fördert rasches Wohlbefinden

Toronto – Bereits drei Wochen nach einer Rekonstruktion der weiblichen Brust nach einer Tumortherapie steigt das sexuelle und psychosoziale Wohlbefinden der betroffenen Patientin. Das haben Forscher der University of Toronto herausgefunden und in einer ...

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Selbsthilfe für Männer mit Brustkrebs

Bonn – Bundesweit erkranken jährlich etwa 500 Männer neu an Brustkrebs. Darauf hat die Deutsche Krebshilfe hingewiesen und gleichzeitig auf ein Selbsthilfeangebot für Männer hingewiesen. Unter dem Dach der „Frauenselbsthilfe nach Krebs“ haben sich ...

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Interview: Du siehst toll aus!

Das veränderte Körperbild

erschienen 2009 in MammaMia! - www.mammamia-online.de

Die akute Krankheits- und Therapiephase dauert bei Brustkrebspatientinnen – je nach Therapie – zwischen einigen  Wochen und fünf bis sieben Jahren, manchmal länger. Sie ist jedoch begrenzt. Was bleibt, ein Leben lang, ist das  veränderte Körperbild. Sei es durch Narben, eine Teilamputation oder gar eine komplette Entfernung einer oder beider Brüste – der Körper verändert sich. Wie können die Betroffenen damit umgehen? Können sie lernen, den eigenen,  veränderten Körper anzunehmen, vielleicht sogar lieb zu gewinnen? Mamma Mia! sprach mit der Diplom-Psychologin Dr.  Susanne Singer über „veränderte Körperbilder“.

Mamma Mia!: Brustkrebs bedeutet meistens eine große Veränderung des weiblichen Körpers – sei es durch eine  brusterhaltende Operation oder eine Amputation. Wie gravierend ist diese Veränderung für Betroffene?

Susanne Singer: Schon von frühester Jugend an haben wir ein Gefühl für unseren Körper. Noch bevor wir  sprechen  können oder ein Bewusstsein für uns als Person haben, empfinden wir mit unserem Körper. Das Baby  weiß nicht, dass es Hunger hat – aber es fühlt es mit seinem Körper und schreit. Daher ist es eine grundlegende  Erschütterung für uns Menschen, wenn etwas Unvorhergesehenes und Bedrohliches mit unserem Körper passiert. Viele Frauen, die an Krebs erkranken, sind darüber erschrocken, dass sie die Erfahrung der körperlichen Verletzbarkeit so  mitnimmt. Man ist sich vorher einfach nicht darüber im Klaren, dass wir so sehr mit unserem Körper verbunden sind.  Dieses Gefühl der  „Erschütterung“ wird oft auch sehr körperlich erlebt – als Schwindelgefühl, Übelkeit, Zittern  usw. In der Regel  vergehen diese Gefühle wieder, sobald die Frau mehr Informationen darüber hat, wie der Krebs zu behandeln ist und wenn sie erfährt, wie man sich um sie kümmert – wenn sie also wieder ein wenig Sicherheit,  vielleicht auch Geborgenheit, erleben kann. Wenn der Körper aber durch die Behandlung sichtbar verändert wird,  dann ergeben sich noch andere Probleme, die auch mit dem Körpererleben zu tun haben, aber mit einem etwas  anderen Charakter. Wir sprechen von einer Veränderung der körperlichen Integrität, von dem Gefühl, schön und  attraktiv zu sein,  Psychologie oder zumindest „normal“ auszusehen. Das sage ich deshalb, weil viele Frauen ja auch  schon vor der  Operation mit ihrem Körper nicht ganz zufrieden sind oder sich unsicher fühlen. Dieses Gefühl der  verletzten  Attraktivität und Integrität kann bei einigen Frauen jahrelang bestehen bleiben.

Mamma Mia!: Wie können Patientinnen auf das veränderte Körperbild vorbereitet werden? Der Moment, in dem der Verband nach der Operation erstmals abgenommen wird, ist ja doch meist ein großer Schock für die Frauen.

Susanne Singer: In der Tat ist es für viele Frauen oft schwer, die operierte Brust anzuschauen oder anzufassen. Die Selbstverständlichkeit, mit der das vor der Operation geschah, muss sich erst wieder einstellen. Wie kann man die  Frauen dabei unterstützen? Es mag vielleicht etwas banal sein, wenn ich das so sage, aber mein Rat wäre: darüber  sprechen. Man kann keine generellen Tipps geben, dass etwa jede Frau Bilder von operierten Brüsten anschauen sollte oder dass sie „Kontakt“ mit ihrer Brust aufnehmen sollte oder sich zum Beispiel bei einer Amputation von ihr verabschieden sollte. Jede Frau hat ihren eigenen Weg. Manche geben der Brust einen Namen und sind zärtlich zu ihr,  manche sagen aber auch: „Für mich ist Sicherheit das Wichtigste, ich will die Brust nicht mehr, sie soll schnell  wegoperiert werden.“ Die Wege der Krankheitsverarbeitung sind verschieden, und es gibt keinen besten Weg. Aber in der Regel hilft es, wenn man über seine Sorgen und Gedanken sprechen kann – mit einer Freundin, mit dem Partner  oder der Partnerin, mit anderen Betroffenen, mit einer Psychotherapeutin, mit einer Ärztin oder Krankenschwester.  

Mamma Mia!: Vielen Frauen, denen die Brust amputiert wird, wird in Krankenhäusern direkt eine Rekonstruktion  angeboten. Ist dies aus psychoonkologischer Sicht eine richtige Vorgehensweise oder wäre es nicht besser, die  Betroffenen könnten diese Entscheidung in Ruhe treffen, wenn die akute Krankheitsphase vorbei ist?

Susanne Singer: Eine Rekonstruktion anzubieten ist gut. Sie als alleinige Möglichkeit anzubieten ist schlecht. Sie einer Frau aufzudrängen ist auch schlecht. Erstaunlicherweise können sich einige Ärzte und Ärztinnen nicht vorstellen,  dass manche Frau keine (sofortige) Rekonstruktion möchte. Eine Patientin von mir, die mit 31 Jahren an Brustkrebs  erkrankt war, beklagte sich einmal bitterlich bei mir, dass man bei ihr sofort rekonstruiert hatte. Die neue Brust sah  zwar gut aus, aber das war gar nicht das Thema für sie. Stattdessen hatte sie die Sorge, dass man nun nicht mehr gut  untersuchen könnte, ob ein neuer Tumor wuchs. Außerdem hatte sie am Rücken, wo der Muskel für die Rekonstruktion entnommen worden war, häufig Schmerzen. Sie sagte zu mir: „Ich habe von Natur aus eine recht kleine Brust, mir wäre  es lieber gewesen, sie hätten nicht rekonstruiert.“ Vielleicht spielte hier auch eine Rolle, dass die Frau so jung war, so  dass niemand den Aufbau in Frage zu stellen schien.

Mamma Mia!: Frauen, die brusterhaltend operiert werden, haben häufig auch ein stark verändertes Körperbild – sei es durch Narben oder weil ein großer Teil der Brust fehlt. Wie können Sie diesen Frauen helfen, ihren Körper wieder zu akzeptieren?

Susanne Singer: Auch kleine Veränderungen, die für Andere kaum wahrnehmbar sind, können von der Betroffenen  als „schrecklich“ empfunden werden, das muss also nicht einmal ein großer Teil der Brust sein, der fehlt. Wenn ich mit einer Frau darüber spreche, dann ist das erste, dass ich mich innerlich ganz frei „In der Tat ist es für viele Frauen oft  schwer, die operierte Brust anzuschauen oder anzufassen.“ zu machen versuche hinsichtlich irgendwelcher Einschätzungen von „gut“ und „falsch“. Das heißt zum Beispiel, dass ich es nicht als Ziel ansehen würde, dass eine Frau „ihren Körper wieder akzeptiert“, wie Sie es formulierten. Gerade am Anfang gibt es oft Phasen von Frustration, Trauer und Wut, wo von einer Akzeptanz noch keine Rede sein kann und wo es zynisch wirken würde, dies erreichen zu  wollen. Sobald aber eine Frau zu diesem Thema arbeiten möchte, dann würde ich mit ihr besprechen, wie sie ihren  Körper empfindet, was sie schön an sich findet und was nicht, wie das vor der Operation und vor der Erkrankung war. So erarbeiten wir, ob das Problem schon länger besteht oder ob es erst durch die Operation entstand. Wichtig ist auch  zu erarbeiten, wie die Angehörigen und der Partner auf den veränderten Körper reagieren, ob es hier Unterstützung oder eher Hemmungen gibt. Mich interessiert auch, welche Bedeutung die Frau ihrem Körper und  insbesondere ihren Brüsten beimisst, sind sie zum Beispiel das „Ein und Alles“? Generell gilt, dass ich mich einfach für  die Sichtweise der Frau und für ihre Gefühle interessiere und ihr damit helfe, Worte zu finden und sich selbst zu  verstehen und zu akzeptieren.

Mamma Mia!: Viele Frauen wissen wenig über Prothesen – zum Beispiel dass es auch Teilprothesen gibt. Ist es Teil der Psychoonkologie, die Betroffenen diesbezüglich zu informieren und aufzuklären?

Susanne Singer: Das ist in der Regel im Aufgabenbereich von Sozialarbeiterinnen/ Sozialpädagoginnen enthalten. Größere Beratungsstellen, wie die unsere in Leipzig, haben Mitarbeiter mit verschiedenen Professionen, und dementsprechend mit verschiedenen Aufgabenbereichen. In kleineren Beratungsstellen oder in Brustzentren kann aber auch eine Psychologin über diese Angebote informieren oder an Ärzte oder Sanitätshäuser verweisen.

Mamma Mia!: Die akute Krankheitsphase und die Therapien gehen vorbei, das veränderte Körperbild bleibt – ein Leben lang. Wie ist Ihre Erfahrung? Gewöhnen sich die Betroffenen daran? Oder kommen sie noch nach vielen Jahren zu Ihnen?

Susanne Singer: Ja, das veränderte Körpererleben kann jahrelang bestehen bleiben. Ich erlebe zum Beispiel häufig
eine erhöhte Sensibilität für kleinste Veränderungen, die sofort Angst auslösen. Das ist normal. Man hat einmal  erfahren, dass kleinste Veränderungen zu Krebs führten – wie kann man sicher sein, dass das jetzt nicht wieder so ist? Man kann es nicht. Auch das Gefühl, schön und begehrenswert zu sein, kann lange Psychologie beeinträchtigt sein. Das häufigste, was ich aber erlebe, ist ein tiefes Misstrauen dem eigenen Körper gegenüber. Zum Glück gelingt es doch  vielen Frauen, sich dieses Vertrauen langsam wieder anzueignen.

Mamma Mia!: Was können Frauen selbst tun, um sich an ihr neues Äußeres zu gewöhnen? Um zu lernen, die operierte Brust anzunehmen?

Susanne Singer: Wie ich schon sagte, jede Frau hat ihren eigenen Weg. Ich kann hier vielleicht nur ein paar  Beispiele nennen, was Anderen geholfen hat. Vielen hilft es, wenn der Partner sagt: „Du siehst toll aus, ich liebe Deine Brust“ oder „Du siehst auch toll aus ohne Brust, ich will gleich ins Bett mit Dir“. Das kann man aber natürlich nicht  einfordern. Und – manche Frau möchte das auch gar nicht. Es gibt Frauen, die nur noch Sex haben können, wenn ihre Brust bedeckt ist. Sie haben aber gefragt, was die Frau selbst tun kann. Sie kann versuchen, die neue Brust / die veränderte Brust / die Körperseite ohne Brust (wieder) lieb zu gewinnen. Viele finden es am Anfang besser, die „neue Brust“ erst einmal selbst vor dem Spiegel zu erkunden, und sich erst dann anderen Menschen zu zeigen. Manchen Frauen hat es geholfen, sich fotografieren zu lassen, andere lassen sich anmalen und schmücken. Schöne Kleidung kann helfen. Gute Dessous zu finden kann schwierig sein – die Suche lohnt sich. Wieder andere Frauen wenden ihre  Aufmerksamkeit anderen Dingen zu, so dass die Brust nicht mehr so zentral für sie ist.

Mamma Mia!: Welche Rolle spielt die Partnerschaft?

Susanne Singer: Unser Selbstbewusstsein setzt sich aus drei Teilen zusammen – aus dem, wie wir uns einschätzen; aus dem, was wir von uns erwarten; und aus dem, was wir denken, wie andere uns sehen. Wenn sich die Frau in einer Partnerschaft sicher, aufgehoben und begehrt fühlt, ist das natürlich sehr hilfreich. Wenn der Partner sich abwendet, sei es aus Angst oder Scham oder Mitleid, dann kann das hingegen sehr schmerzlich sein. Hier kann man nur immer wieder empfehlen: Reden Sie miteinander! Oft wird aus Rücksicht aufeinander geschwiegen, was die Sache aber nur schwerer macht. Frauen, die nicht in einer Partnerschaft leben, haben oft das Gefühl, „auf dem Markt“ nun weniger wert zu sein – diese Worte stammen von einer Patientin von mir. Sie fühlte sich nicht nur alt, sondern auch versehrt, allein und „auf den Müll geworfen“. Man kann sich vorstellen, wie belastend das sein muss. Und man kann sich vorstellen, dass man mit so einem Gefühl kaum Mut hat, auf den „Markt“ zu gehen. Deshalb wäre es vielleicht eine  schöne Aufgabe für Leserinnen Ihrer Zeitschrift, ihre Geschichte zu „Partnerschaft und Körpererleben“ einmal  aufzuschreiben und mit anderen Leserinnen zu teilen. Gelungene neue Beziehungen können Anderen Mut machen, sich auf den „Markt“ zu begeben. Aber auch Geschichten von anderen Alleinlebenden können trösten, da man sich dann  nicht mehr so allein fühlen muss. Das ist auch eine Form von Partnerschaft – sich gegenseitig unterstützen und  solidarisch sein.

 

Kontakt:

Dr. Susanne Singer, Dipl.-Psych.

Psychosoziale Beratungsstelle für Tumorpatienten und Angehörige der Universität Leipzig

Philipp-Rosenthal-Str. 55, 04103 Leipzig