Beispielfall: Berufliche Perspektiven nach einer Krebserkrankung über das Berufsförderungswerk

Der berufliche Wiedereinstieg nach einer onkologischen Erkrankung ist für den Arbeitnehmer sowie den Arbeitgeber oft mit vielen Fragen und Unsicherheiten verbunden. Woher wissen alle Beteiligten wie die aktuelle Leistungsfähigkeit eingeschätzt werden kann? Was tun, wenn der bisherige Aufgabenbereich nicht mehr bewältigt wird? Um nach Krankheit oder Unfall beruflich neu zu beginnen, ist oft Unterstützung notwendig. Diese kann über die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (berufliche Rehabilitation) beantragt werden. 

Das Fallbeispiel soll ihnen verdeutlichen, wie der Weg zurück in Arbeit über die berufliche Rehabilitation gelingen kann (Beispiel: Case Management des Berufsförderungswerkes Leipzig):

Herr G. aus Z. ist 26 Jahre alt und arbeitet seit 2009 als Fertiger im Bereich Technik/Produktion bei einem Automobilhersteller. In seiner Tätigkeit muss er mittelschwere Lasten bewegen, vorn übergebeugt und mit den Armen über Brusthöhe arbeiten. Hinzu kommen psychisch belastende Komponenten wie Zeitdruck, Norm- und Schichtarbeit.

Im März 2011 wurde bei Herrn G. ein Hodenkarzinom diagnostiziert. Es erfolgte die medizinische Behandlung. Nach 2 Zyklen PEB, die im Juni 2011 beendet wurden, lag bei Herrn G. eine allgemeine Schwäche und Leistungsminderung vor. Zur weiteren medizinischen Rehabilitation nahm Herr G. die AHB über 4 Wochen in einer Rehabilitationsklinik in Ahlbeck wahr. Leistungsträger dieser AHB war die Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland.

Der Abschlussbericht der Klinik zeigte nachfolgendes einschränkendes Leistungsbild für Herrn G. auf:

  • Ausschluss des Bewegens von Lasten,
  • Vermeiden des Einflusses von Kälte, Nässe, Zugluft, inhalativer Belastungen,
  • Vermeiden ständiger Zwangshaltungen der Wirbelsäule.

Die Belastbarkeit für die letzte Tätigkeit liegt unter 3 Stunden. Für den allgemeinen Arbeitsmarkt (bei gesundheitsgerechter Beschäftigung) ist Herr G. mehr als 6 Stunden belastbar. 

Sein gesundheitlicher Zustand bereitete Herrn G. im Januar 2012 große Sorgen. Er klagte über zunehmende neurologische Beschwerde-Symptomatik in der rechten Körperhälfte, Motorik-Störungen sowie Kraftverlust in Arm und Hand als Folge der Chemotherapie. Seine berufliche Zukunft ist ungewiss.

Bei einem Beratungsgespräch seiner Krankenkasse, der AOK Plus, erfuhr Herr G. von den die Möglichkeit der beruflichen Rehabilitation und bekam Informationen zum Case Management des Berufsförderungswerkes Leipzig. Herr G. stellte die notwendigen Anträge (G100 und G130) zur Teilhabe am Arbeitsleben (kurz LTA) bei seinem zuständigen Rententräger. 

Herr G. nahm nach der Empfehlung durch die AOK Plus Kontakt zum BFW Leipzig auf. Noch im Januar erfolgte das Erstgespräch wohnortnah mit der Case Managerin in der Außenstelle des BFW Leipzig. Dabei wurde die gesundheitliche und berufliche Situation von Herrn G. analysiert und darauf basierend ein Zeitplan für die nächsten Aktivitäten aufgestellt. Anfang Februar 2012 fand ein Betriebstermin mit dem Personalleiter statt. Im Gespräch wurde über das zu erwartende Leistungsbild des Mitarbeiters und die sich daraus ergebenden Konsequenzen informiert. Der Arbeitgeber erhielt Informationen über  die Möglichkeiten zur Unterstützung durch die Deutsche Rentenversicherung und das Integrationsamt (Antragstellung über Stadtverwaltung/Landratsamt; Antrag Gleichstellung in der Arbeitsagentur).

Da Herr G. von seinem Arbeitgeber als wichtiger Leistungsträger geschätzt wird, werden alternative Ideen zur Weiterbeschäftigung im Unternehmen in Hinblick auf eine innerbetriebliche Umsetzung geprüft. Es entstand eine konkrete Idee für eine gesundheitsgerechte Weiterbeschäftigung in der 2013 anlaufenden Anlagensteuerung im Werk. Anhand dessen wurden die nächsten Schritte abgestimmt:

Arbeitsversuch über eine stufenweise Wiedereingliederung im Krankengeld ab 05.03.2012 im zukünftig vorgesehenem Bereich unter arbeitsmedizinischer Aufsicht; Urlaubsabgeltung bis zur Qualifizierung.

Parallel Abklärung durch das BFW Leipzig mit der DRV MD hinsichtlich einer Aufstiegsqualifizierung: gesetzlich geregelte Qualifizierung „Staatlich geprüfter Techniker - Farb- und Lacktechnik“ ab 03.09.2012 (2 Jahre Vollzeit). 

Am Fallbeispiel von Herrn G. wird deutlich, dass ein zeitnahes Zusammenwirken aller am Prozess beteiligten Akteure sehr wichtig für das Gelingen der Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess ist.

Viele kleine und mittelständische Unternehmen können ihren leistungsgewandelten Mitarbeitern keine innerbetriebliche Umsetzung bieten. Oder was kann man tun, wenn man bereits von Arbeitslosigkeit betroffen ist? 

Hier hat der Arbeitnehmer ebenfalls die Möglichkeit über die berufliche Rehabilitation wieder in den ersten Arbeitsmarkt zurückzukehren. Das Antragsverfahren muss auch hier, wie im Fallbeispiel erläutert, durch die Abgabe der Anträge G100 und G130 beim Rehabilitationsträger vom Versicherten angestoßen werden.

Wurde der Antrag bewilligt, kann mit Hilfe des Berufsförderungswerkes in einer Berufsfindung/Arbeitserprobung (Assessment) die berufliche Eignung für eine neue Qualifizierung festgestellt werden. Das Ergebnis der Eignungsfeststellung wird dem Leistungsträger zugesandt und mit dem Versicherten besprochen. Je nach Empfehlung kann sich eine Qualifizierung oder eine Integrationsmaßnahme anschließen. Beides hat die Rückkehr auf den ersten Arbeitsmarkt zum Ziel. 

Die Erfolgsquoten einer Arbeitsaufnahme nach einer beruflichen Neuorientierung liegen je nach Branche zwischen 52 und 100 Prozent.

Abkürzungen

PEB = Chemotherapie mit einer bestimmten Kombination an Präparaten

AHB = Anschlussheilbehandlung

DRV MD = Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland